Grundstücksnachbarn können nicht darauf bestehen, ein angrenzendes fremdes Grundstück aus reiner Gewohnheit zu durchqueren. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Außerhalb des Grundbuchs kann ein Wegerecht nur aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung oder als Notwegrecht unter den Voraussetzungen des § 917 BGB bestehen.
Der Fall
Geklagt hatten die Eigentümer dreier nebeneinander liegender Grundstücke, die mit drei aneinandergrenzenden Häusern bebaut sind. Auf der Rückseite dieser Grundstücke befinden sich seit den 1940er Jahren nicht genehmigungsfähige Garagen, Mülltonnen sowie Lager und Werkstatt eines gewerblichen Mieters. Die Garagen sowie sonstige dort befindliche Einrichtungen erreichen Eigentümer und sonstige Nutzer seit mehreren Jahrzehnten über einen Weg, der sich auf dem Nachbargrundstück befindet. Diese Nutzung haben frühere Eigentümer des Nachbargrundstücks und zunächst auch der aktuelle Eigentümer geduldet. Schließlich kündigte der Nachbar jedoch an, den Weg vollständig zu sperren und eine Toranlage zu errichten. Im Grundbuch war nie ein Wegerecht eingetragen. Die klagenden Eigentümer wollen aufgrund der bisherigen Duldung erreichen, dass der Nachbar die Sperrung des Weges durch eine Toranlage zu unterlassen hat. Sie berufen sich dabei auf ein zu ihren Gunsten bestehendes Wegerecht, hilfsweise auf ein Notwegrecht.
Die Entscheidung
Das vorinstanzliche Berufungsgericht hatte entschieden, dass die Zufahrt offen bleiben muss. Dies ergebe sich aus Gewohnheitsrecht, da eine langjährige tatsächliche Übung der Eigentümer sowie der berechtigten Nutzer bestehe. Außerdem seien alle Beteiligten gleichzeitig davon ausgegangen, einer rechtlichen Verpflichtung bzw. Berechtigung zu folgen. Der BGH folgt dieser Entscheidung nicht und führt aus, dass im Verhältnis einzelner Grundstücksnachbarn ein Wegerecht nicht durch Gewohnheitsrecht aufgrund einer jahrzehntelangen Übung entsteht. Vielmehr kann dieses als eine dem Gesetz gleichwertige Rechtsquelle allgemeiner Art nur zwischen einer Vielzahl von Rechtsindividuen und in Bezug auf eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen entstehen. Es darf also nicht auf ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen einzelnen Grundstücksnachbarn beschränkt werden. Das Gewohnheitsrecht enthält somit eine generell-abstrakte Regelung, die über den Einzelfall hinausgehen muss.
Laut Bundesgerichtshof muss zunächst geprüft werden, ob die Zufahrt für die ordnungsgemäße Benutzung der Grundstücke erforderlich ist. Nur dann kann den Eigentümern ein Notwegrecht gemäß § 917 Abs. 1 BGB zustehen. Im vorliegenden Fall könnte dies aber schon an der fehlenden baurechtlichen Genehmigung der Garagen scheitern. Soweit die Grundstücke jedoch gewerblich genutzt werden, kommt ein Notwegrecht grundsätzlich in Betracht. Die Sache wurde daher zurück an das vorinstanzliche Gericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung verwiesen.
BGH, Urteil vom 24. Januar 2020, Az. V ZR 155/18
Vorinstanzen: OLG Köln, Beschluss vom 1. Juni 2018, Az. 16 U 149/17 LG Aachen, Urteil vom 11. Oktober 2017, Az. 11 O 157/17
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